Erfurt ist eine lebenswerte Stadt. Sie bietet viel Kultur unterschiedlichster Genres und wird noch dazu von Menschen bereichert, die mit Leidenschaft und Kreativität hier vor Ort engagiert sind. Unter anderem der Molsdorfer Kultursommer, das Tipica Gestival, der Erfurter Songslam 2023, der rassismuskritische Film-Bildungsworkshop don’t stop motion, LEA – die Erfurter Lesebühne, der Rad Rave, das Familienfestival kocolores, Kultur flaniert und so vieles mehr. All das sind die Veranstaltungen und Projekte, die Erfurt in diesem Jahr bunter, schöner und lebenswerter gemacht haben. Alle diese Projekte haben eines gemeinsam, sie werden zum größten Teil ehrenamtlich auf die Beine gestellt. Und: Alle diese Projekte wären wahrscheinlich nicht möglich gewesen ohne die Kulturförderung der Stadt Erfurt.
Doch für manche Projekte war es nach der Antragstellung auch schon wieder vorbei. 40 von 106 Anträgen im Bereich Breitenkultur gingen 2023 komplett leer aus. Das sind 40 Veranstaltungen und Projekte, die die kulturelle Vielfalt in Erfurt bereichert hätten. Nach Angaben der Kulturdirektion Erfurt standen für das Haushaltsjahr 2023 insgesamt 327.500 Euro für die jährliche kulturelle Projektförderung und 300.000 Euro für die dritte Auflage des kommunalen Unterstützungsprogrammes #erfurtkultursommer zur Verfügung. Insgesamt also ein Förderumfang von 627.500 Euro für die Breitenkultur der Stadt. Insgesamt gingen jedoch 224 Projektanträge ein, mit einem gesamten Antragsvolumen von 1.545.679,90 Euro. Damit hat sich das Antragsvolumen gegenüber 2022 knapp verdoppelt. Heißt kurzum: viel Bedarf, bei zu wenig Mitteln.
„Das hohe Antragsvolumen zeigt in Summe den erneut gestiegenen finanziellen Unterstützungsbedarf der lokalen Kulturszene zur Realisierung ihrer vielfältigen Projekte“, schreibt die Kulturdirektion in einer Mitteilung vom Februar 2023 (www.erfurt.de) und legt damit eines der wichtigsten Argumente vor, warum wir als Ständige Kulturvertretung eine Steigerung des Fördertopfes für Breitenkultur von 327.500 auf 500.000 Euro fordern!
Die steigende Inflation und die damit einhergehende Anpassung von Tariflöhnen in den Theatern unterstreichen die Dringlichkeit einer Erhöhung der Kulturförderung in Erfurt. Diese notwendige Anpassung betrifft nicht nur die institutionalisierten Kulturinstitutionen, sondern auch die freien Kulturakteur:innen. Um eine faire Bezahlung sicherzustellen und die wertvolle kulturelle Arbeit angemessen zu honorieren, ist eine Erhöhung der finanziellen Mittel unabdingbar. Denn die Unterstützung der freien Kulturszene ist nicht nur eine Investition in die kulturelle Vielfalt der Stadt, sondern auch ein Beitrag zur Wahrung der Gerechtigkeit und Anerkennung der Leistungen der engagierten (zumeist ehrenamtlich arbeitenden!) Kulturakteur:innen.
Die freie Kulturszene prägt die Identität von Erfurt. Sie macht die Stadt für ihre Bewohner:innen lebenswert und trägt zum positiven Image nach außen bei. Und in diesen Zeiten ganz besonders wichtig: Die freie Kulturszene schafft Räume zum Austausch, Kennenlernen und für die Bildung. Denn kulturelle Veranstaltungen und Projekte fördern soziale Integration, indem sie Menschen unterschiedlicher gesellschaftlichen und sozialen Bereichen zusammenbringen. Kultur kann Brücken zwischen verschiedenen Gemeinschaften schlagen und den bürgerlichen Zusammenhalt stärken.
Die überzeichneten Töpfe zeigen, dass das Selbstbewusstsein, die Kreativität und der Organisationsgrad freier Kulturakteure und Künstler:innen in Erfurt weiter wächst. Diese sehr positive Entwicklung sollte nicht ausgebremst werden. Es ist daher an der Zeit, die Kulturförderung in Erfurt weiter voranzubringen, um die Nachhaltigkeit und Gleichberechtigung in der Kulturbranche zu gewährleisten.